Kundgebung CSD Darmstadt 2014

Meine Rede vom CSD Darmstadt 2014. Das diesjährige Motto "Ich hab nichts gegen die, aber" war wirklich wunderbar gewählt und ich hätte stundenlang darüber reden können. Glücklicherweise war die Redezeit begrenzt.

Ich hab nix gegen die, aber...
Ich hab nix gegen die, aber...
...Ja aber was, ne?
Da kommt dann meistens der größte Quatsch. Wissen wir alle.
Trotzdem wird Diskriminierung jeglicher Art gerne durch so einen Halbsatz eingeleitet. ...Das wird man ja noch mal sagen dürfen!

Beim Nachdenken über das diesjährige Motto des CSD Darmstadt sind mir einige Situationen eingefallen, in denen auch ich als schwules Fräulein mit so was konfrontiert war.
Ich hab ja nix gegen Homosexuelle, aber müssen die das so raushängen lassen?
Ich hab ja nix gegen dich, aber musst du so tuntig sein?
Oder: Kann ja jeder sein wie er will, aber ich stehe auf richtige Männer.
Ja, richtig verstanden: Der "Ich hab ja nix gegen die, aber"-Komplex kommt nicht nur aus dem konservativ-heterosexuellen Lager, sondern er ist auch innerhalb unserer Community gegenwärtig und lebendig.
Und weil ich es nicht müde werde, dem zu antworten, tue ich das hier und heute gerne noch einmal: Die einen sind so, die anderen sind so, und ja: Ich muss so tuntig sein. Weil ich es will.
Am Mittwoch zeigten die JuSos im Rahmen der CSD Aktionswoche den Film Stonewall. Meinen Lieblingsfilm. Dort sieht man ganz schön, unter welchen Vorzeichen die Schwulen- und Lesbenbewegung Ende der 60er Jahre entstanden ist und wie konfliktreich die Beziehung zweier Lager innerhalb der Community war:
Während die einen sich anpassten und mit Halbschuhen und Krawatten erfolglos um Mitleid und Anerkennung gebettelt haben, haben die anderen irgendwann mal - als das Fass voll war - einen mehrtägigen Krawall rund um ihre Stammkneipe angezettelt und sich gegen Repression, Kriminalisierung und Polizeigewalt zur Wehr gesetzt. Das war im Juni 1969 in der Christopher Street in New York. Und das waren Tunten, Butch-Lesben, Queers of Colour und alle möglichen unangepassten Andersperversen, die nicht nur von Staat und heterosexueller Allgemeinheit, sondern auch von ihren homosexuellen Brüdern und Schwestern geächtet wurden.
Und damit haben sie eine weltweite Bewegung in Gang gesetzt, an die wir hier und heute am Christopher Street Day in Darmstadt erinnern.
Wir erinnern uns heute an Pionier_innen, die sich nicht verbogen haben, um jemandem zu gefallen, die gekämpft haben, statt zu bitten und die eine Revolution ausgelöst haben, für die ich heute sehr dankbar bin.


Wenn also jemand sagt: Ich hab nix gegen die, aber aber müssen die sich so schrill und laut selbst feiern, dann sage ich: Ja, das müssen wir!
Wir leben heute das Erbe von mutigen Tucken, Tunten, Transen, Mannsweibern, schwarzen Lesben und Strichjungen weiter. Diese Demonstration soll und darf nicht angepasst sein. Wir haben eine Geschichte und diese Geschichte trägt weder einen Anzug, noch Baumwollstrumpfhosen.

Heute müssen wir zumindest in Deutschland nicht mehr gegen Polizeigewalt, Haft oder Zwangseinweisung in Psychiatrien kämpfen. Aber wir sind immer noch, auch 45 Jahre nach den Stonewall Riots in der Christopher Street konfrontiert mit struktureller Diskriminierung durch eine Bundesregierung, die um jeden Preis versucht, uns durch systematische Benachteiligung zu Menschen zweiter Klasse zu machen.
Wir sind konfrontiert mit einer Gesellschaft, die die Diffamierung sexueller Minderheiten selbst in den Feuilletons großer Wochenzeitungen zulässt.
Wir sind konfrontiert mit einer religiös-fundamentalistischen Kultur, die Homosex für Sünde und Homosexualität an sich für heilbar hält.
Wir sind konfrontiert mit individueller Homo- und Transphobie, die immer wieder, selbst auf den Szenestraßen Berlins, Gewaltopfer fordert.
Und meine lieben Mit-Tunten, Trans*, Tucken, Tomboys, Luder, Schlampen, Sexbesessenen, notorisch unentschlossenen Bisexuellen und sonstigen schrillen Vögel: Wir sind dann halt auch noch manchmal mit unseren eigenen Leuten konfrontiert, die anscheinend glauben, dass es allen besser ginge, wenn wir ein bisschen weniger anders und ein bisschen mehr normal wären.

Die Forderungen der ersten Stunde sind genauso aktuell wie damals, als eine Handvoll Stonewall-Gäste einen Massenaufstand entfacht hat: Wir wollen keine Sonderrechte, sondern einfach nur gleiche Rechte und ein Ende der Diskriminierung.
Hier stehen Menschen, die von ihrer Familie verstoßen wurden, weil sie homosexuell sind.
Hier stehen Menschen, die ihren Arbeitsplatz aufgeben mussten, weil ihre Kolleg_innen Transsexuelle eklig finden
Hier stehen Paare, die eine Familie gründen wollen, das aber nicht dürfen.
Hier stehen Menschen, die aufgrund ihres Anders-Seins Gewalt erfahren mussten
Und wir alle stehen heute hier, um sehr laut und gerne auch ein bisschen schrill zu sagen: Nein, das wollen wir nicht mehr!
Wir wollen eine Welt ohne Diskriminierung erreichen!
Wir wollen nicht, dass es Menschen zweiter Klasse gibt!

 

Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich so lange in einem tollen Kleid und mit schickem Makeup auf die Straße gehe, bis jede_r Jugendliche ohne Angst zu seinen_ihren Eltern, Klassenkamerad_innen und Freund_innen sagen kann: "Ich bin schwul." "Ich bin lesbisch."
So lange bis Trans* nicht mehr schief angesehen werden
So lange bis die Geschlechter der Eltern den Adoptionsbehörden egal ist
Und so lange bis keine_r mehr sagt: Ich hab ja nix gegen die, aber...

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Kommentare: 1
  • #1

    Rebecca (Montag, 18 August 2014 15:39)

    wundervolle rede :) schade, dass ich nicht da war und sie live hören konnte :(
    fehlen zwar ab und an paar Buchstaben, aber wow *-*
    ich liebe diese rede *-*