Schwule Mädchen, Kampfeinsatz!

Für mich als jemand die lange nach der AIDS-Krise und zu Zeiten der eingetragenen Lebenspartnerschaft geboren wurde, war schwul zu sein lange keine große Angelegenheit. Die Diffamierungen und Angriffe durch Mitschüler oder irgendwelchen Idioten auf der Straße habe ich irgendwie weggesteckt. Dass sich der Aktivismus in den letzten Jahren sehr viel auf Adoption und Ehe konzentrierte, habe ich als Zeichen dafür gesehen, dass nun nur noch ein paar letzte Schlachten geschlagen werden müssen und dann endlich alles gut ist. Ein Trugschluss, wie sich nun herausstellt. Der Ton wird rauer, die Angriffe auf uns werden existenzieller.
 
Seit längerer Zeit können wir beobachten, wie rechtes, religiös-fundamentalistisches und offen homophobes Gedankengut von einzelnen, gut organisierten und vernetzten Akteur_innen immer aggressiver und immer lauter in die Gesellschaft getragen wird und dort immer mehr Zuspruch findet. Es entwickelt sich zusehens ein Umfeld, in dem Homophobie "nicht zwangsläufig menschenverachtend" ist, man Petitionen und Kampagnen gegen uns startet und nun auch gegen uns auf die Straße geht
 
Unter dem Schlagwort "Kindeswohl" werden Bildungspläne und schwullesbische Aufklärungsprojekte, die auf eine diskriminierungsfreie Gesellschaft hin arbeiten als traumatisierend und als seelische Vergewaltigung von Schüler_innen durch pädophile Gender-Ideolog_innen stilisiert. Multiplikator_innen solcher Kampagnen sind in erster Linie rechte und fundamental-christliche Medien, Gruppen und Parteien, aber mittlerweile auch Mainstream-Medien wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung bzw. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und Spiegel Online. Im Umfeld der AfD-Europaabgeordneten Beatrix von Storch tummeln sich etliche Homohasser_innen die ein starkes und sich immer weiter professionalisierendes Netzwerk bilden und dabei Hand in Hand mit Rechtsradikalen gehen, um immer tiefer in die Gesellschaft einzudringen und mit einem neuen Feindbild - nämlich uns - Ängste zu schüren. Die vermehrt homophobe Stimmung in Frankreich, angetrieben durch die manif pour tous-Bewegung, hat die Zahlen gewaltätiger Übergriffe auf Schwule steigen lassen. Die Bewegung rekrutiert Menschen aus allen Schichten und radikalisiert sich zusehens. Es war also kein Wunder, dass das System manif pour tous als "Demo für alle" auch nach Deutschland herüberschwappte. Zwar konnten Mitte November in Dresden die wenigen Demonstrant_innen von einem Gegenbündnis empfangen und zur vorzeitigen Beeendigung ihrer menschenfeindlichen Kundgebung gebracht werden, aber das war nur der Anfang. Am letzten Wochenende haben sich bei einer Demonstration in Hannover viele hundert Menschen versammelt, die mit ihren Plakaten und Bannern eine eindeutige Sprache gesprochen haben. Die perfide Vorgehensweise, Schwule und Lesben als infiltrierende Homo-Lobby und Gender-Ideolog_innen zu bezeichnen und uns als Sexualstraftäter_innen zu kriminalisieren findet ihren vorzeitigen Gipfel nur noch in den Kommentaren bei facebook und unter homofeindlichen Artikeln, in denen zu Mord an uns und Vergewaltigung von uns aufgerufen wird. 

Es braut sich was zusammen

"Demo für Alle" in Hannover (Foto: Stefan Mielchen)
"Demo für Alle" in Hannover (Foto: Stefan Mielchen)
Jetzt fragen sich sicher viele, wo denn diese Tendenzen plötzlich herkommen, die ich hier heraufbeschwöre. Das habe ich mich auch gefragt. Aber da ist es beim Hass gegen uns genauso wie beim latenten Antisemitismus und anderen Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit: Das war schon immer da, wir übersehen es aber!
Je länger ich darüber nachgedacht habe, desto klarer wurde mir: Angela Merkel hat mit ihrem Bauchgefühl genau das in schwammige Worte gepackt, was nun knallhart ausgesprochen wird: Die Bundeskanzlerin denkt genauso wie Bildungsplangegner_innen, AfD-Politiker_innen, die Frankfurter Allgemeine und die ganzen anderen "Besorgten" dass Homosexualität eine erworbene Perversion ist und Homosexuelle zudem auch noch pädophil seien. Argumentationen mit "Kindeswohl" können keinen anderen Hintergrund haben. Diese Entwicklung hin zu einer neuen Qualität von offen ausgesprochener Homophobie ist also nur die logische Konsequenz aus dem, was neben der Kanzlerin noch viele weitere Abgeordnete, politische Vertreter_innen, TV-Talkshowgäste und Kolumnist_innen bisher mehr oder weniger galant umschrieben haben. Aus Merkels Bauchgefühl wird ein Schlag in unsere Magengruppe. 

Wir haben uns nicht ausreichend dagegen gewehrt, dass (öffentlich-rechtliche) Talkshows homophoben Menschen eine Bühne für Hassreden geboten und Homosexualität als etwas Verhandelbares zur Diskussion gestellt haben. Wir haben uns nicht ausreichend dagegen gewehrt, dass eine Frau wiedergewählt wurde, die für alles steht, nur nicht für gleiche Rechte. Wir haben uns nicht ausreichend dagegen gewehrt, dass eine "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen"-Mentalität so gut wie jede Beleidigung und Diskriminierung gegenüber queeren Menschen zulässt.
Nun erstarkt eine Bewegung die sich als der neue große Gegner geriert. Es wird ernst. Wir haben zu viel zugelassen, uns zu viel gefallen lassen und blieben oft genug tatenlos. Es reicht nun langsam. Es wird Zeit aufzuwachen.
Demo für Alle
"Demo für Alle" in Hannover (Foto: Stefan Mielchen)

Aux armes! Werdet aktiv und kreativ!

Der neue Gegner drückt sich aus in offener Homophobie und bekommt massiven Zulauf. Er ist kaum zu durchschauen, die Strukturen sind unübersichtlich und es ist schwer einzuschätzen was sie antreibt und was sie als nächstes tun. Es ist an der Zeit, dass wir uns aktiv mit den Initiator_innen und Anhänger_innen auseinandersetzen. Dass wir sie einschätzbar machen und ihnen entschlossen entgegentreten. 
Und ich meine damit nicht, Gegenpetitionen und das Teilen von Zeitungsartikeln. Wir müssen jetzt wirklich die Waffen die wir haben nutzen. Wir sind viele und die wollen uns allen an den Kragen. Deshalb rufe ich uns alle dazu auf: Macht euch bewusst, wer die sind und was sie wollen! Geht raus auf die Straßen und stellt euch der Homophobie entgegen. Sprecht miteinander und schließt euch zusammen. Es gibt etliche Gruppen in den großen und kleinen Städten. Jede_r von euch wird gebraucht.
 
Queere Vereine und Gruppen! Bildet Arbeitskreise, arbeitet Strategien aus und organisiert einen lokalen und überregionalen Widerstand gegen Homophobie und Transphobie!
 
AIDS-Hilfen! Euer kreativer Aktivismus hat eine lange Tradition. Auch dieses Mal werdet ihr eine treibende Kraft sein müssen.
 
CSD-Organisator_innen! Die Planungen für 2015 beginnen! Thematisiert diese neue Homophobie, die mit Ängsten spielt und uns (mal wieder) als Kriminelle stigmatisiert!
 
SchLAu-Projekte! Eure Fachlichkeit und eure Orientierung an Menschen- und Grundrechten wird angegriffen und angezweifelt. Jetzt müsst ihr mehr tun, als aufklären. Wehrt Euch! Nutzt eure Kontakte zu Schulen, Eltern, Kooperationspartner_innen und in die Politik. Bindet diese in Euren solidarischen Protest ein.
 
Landesweite Netzwerke! Das Thema muss auf eure Agenda! Die Vernetzung in unseren Reihen muss enger gestrickt werden.
 
Organisationen auf Bundesebene! Ihr seid die, auf die am meisten gehört wird. Eure Kompetenz und eure schlagkräftigen Worte sind gefragt.
 
Queere Politiker_innern aller Parteien: Nutzt euren parlamentarischen Einfluss, eure Netzwerke und Partner_innen.
 
Schwule und lesbische Wirtschaftsbosse. Nutzt eure Macht für eure Leute!
 
Queere Journalist_innen: Lasst nicht zu, dass eure Redaktionen mitschreiben an dieser Kampagne gegen euch.
 

Sagt diesen Vollidioten den Kampf an!

Wenn sie eine Homo-Lobby heraufbeschwören,

dann kriegen sie auch eine!

 

 

Haltet zusammen!

 

Eure Rosa Opossum <3

 

 

 

 

 

mehr

Das ist der Gegner:
http://demofueralle.wordpress.com/ = http://www.familien-schutz.de/

http://www.bildungsplan2015.de/

 

Das sind ihre Kanäle und Multiplikator_innen:

"Nachrichten"-Portale: Freie Welt, PI-News,

 

Beispiel für ihre Professionalisierung und Faktenfälschung
http://www.bildungsplan2015.de/2014/02/22/neu-video-zur-bildungsplandebatte/

 

mehr informationen:
Handelsblatt-Bericht über Beatrix von Storchs Netzwerk

Cicero-Bericht über von Storchs Netzwerk