CSD Frankfurt 2015

Heute zog wieder eine große bunte und laute Demonstration durch Frankfurt. Es war für mich wieder ein berauschendes Gefühl, mit so vielen Menschen zusammen durch die Stadt zu gehen, zu feiern, fotografiert zu werden und mich zu zeigen.
Aber auch zu protestieren und laut zu sagen, was mich stört. Heute sind wir nicht nur auf die Straße gegangen, weil das Leben für uns eine einzige Party ist.
Wir sind heute auch auf die Straße gegangen um unseren Protest auszudrücken.

Unseren Protest gegen eine Regierung, die uns in unseren Menschenrechten beschneidet und uns diskriminiert. Die CDU und allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel versuchen seit Jahrzehnten mit allem was sie haben, uns weiterhin klein zu halten und sieht uns als Menschen zweiter Klasse. Angefeuert durch Stammtischparolen und ein krudes Weltbild, das auf einem Buch mit einer sprechenden Schlange und jungfräulicher Geburt basiert, ist ihnen bis zum Verfassungsbruch jedes Mittel recht, uns herabzusetzen und zu beleidigen. Und die Koalitionspartner mit ihren großen Versprechungen machen auch noch mit. Wo bitte ist denn diese „100% Gleichstellung nur mit uns“?!  

Wir drücken heute auch unseren Protest aus, gegen homophobe und transphobe Gewalt.
Letzte Woche wurde während des CSDs eine junge Tunte am Münchner Hauptbahnhof  angegriffen und verprügelt. Dieser Fall ging durch die Medien und hat eine große Empörung ausgelöst. Endlich! Ihr Tunten, Trinen, Transen, Mannsweiber und Schwuchteln hier wisst genau so gut wie ich: Beschimpft, angespuckt und verkloppt werden, ist keine Seltenheit. Wir können nicht einfach im Fummel über die Zeil laufen. Wir können nicht einfach als Transsexuelle auf ein öffentliches Klo gehen. Es ist manchmal einfach gefährlich „zu schwul“ oder „zu lesbisch“ rüberzukommen.
Und durch die homofeindliche Hetze in den Parlamenten, Zeitungen und in Talkshows wird den Arschlöchern auch noch Recht gegeben? Das muss aufhören!

Foto: J.König
Foto: J.König

Und mittlerweile müssen wir auch wieder unseren Protest ausdrücken gegen solche, die gegen UNS auf die Straße gehen. In den letzten Jahren hat sich eine immer stärker werdende Allianz aus sogenannten „Familienschützer_innen“, fundamentalistischen Christ_innen und AfD-Rechtspopulist_innen formiert, die bei ihren sogenannten „Demos für Alle“ vorgibt, sich um das Kindeswohl und traditionelle Werte zu sorgen. Mit dem Namen „Demo für Alle“ oder „Besorgte Eltern“ tun die Organisator_innen so, als seien sie ein bürgerliches Bündnis und würden die Interessen aller Familien, aller Menschen oder eines „Volkes“ vertreten. Angefangen mit kleinen besorgten Märschen, die man nur auslachen konnte, wächst diese rechte Bewegung immer weiter an und wird auch in ihren Aussagen immer radikaler. Längst geht es nicht mehr um angebliche „Frühsexualisierung“ oder irgendwelche Bildungspläne. Es geht um die Rechte gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften, welche die Teilnehmenden mit allen Mitteln beschneiden wollen. Es geht darum, uns unsichtbar zu machen und zu entrechten.
Diese sogenannten „Demos für Alle“ sind schlicht Demos gegen Schwule, gegen Lesben, gegen Trans* und alles was nicht cis-hetero ist und deren verstaubtes und reaktionäres Weltbild stört. Angeführt wird dieses besorgniserregende Bündnis von gebildeten Menschen, wie Hedwig von Beverfoerde, Birgit Kelle, Beatrix von Storch (AfD), die vor allem uninformierte, gutgläubige Schafe mit Panikmache und dreisten Lügen einfangen wollen. Das alles auch unter Duldung von rechtsextremen Gruppen und Einzelfaschos.

Vergangenen Monat sind wir von Darmstadt aus zu einer Gegendemonstration nach Stuttgart gefahren. Wir hatten keine Ahnung, was da auf uns zukommt. Wir wären nicht auf die Idee gekommen, dass so vielen „Demo für Alle"-Deppen nur so wenige Gegendemonstant_innen gegenüberstehen. Ich möchte nicht behaupten, wir seien die einzigen Homos bei der Gegenveranstaltung gewesen. Aber von den 200 Gegendemonstrant_innen waren die meisten heterosexuell und haben gegen zwanzigmal so viele rechte Christ_innen, Burschenschaftler, Neonazis und dumme Schafe angekämpft.

Ich war erschüttert. Da läuft ein Mob von mehr als 4000 homophoben Menschen durch die Straße und die Homos in dieser Stadt bleiben zuhause? Keiner der baden-württembergischen LGBT-Vereine hat zum Widerstand aufgerufen*. Auf der Gegendemonstration wurde uns sehr viel Dankbarkeit entgegen gebracht. Die Stuttgarter_innen haben sich gefreut, dass wir extra aus Darmstadt gekommen sind, um sie zu unterstützen. Zum anderen haben wir viel Solidarität erfahren, von einer großen Zahl von heterosexuellen Alliierten.

Ich stand mit einem Freund versprengt ganz alleine direkt an dem Marsch der "Demo für Alle". Mit einer einzigen Trillerpfeife bewaffnet haben wir gegen 4000 Menschen angebrüllt, die uns hassen und wurden dann auch noch von der Polizei schikaniert.
In dem Moment hat sich die Solidarität von Passant_innen, die mit uns dort standen und ihren Unmut über diesen faschistischen Marsch kundgetan haben, ein bisschen Linderung verschafft. An diesem Tag im Juni haben Heteros für Gay Rights gekämpft. Und die Gays sind zuhause geblieben. Egal aus welchen Gründen auch immer die LGBT-Vereine in Baden-Württemberg sich entschieden haben, nicht gegen die „Demo für Alle“ in Stuttgart zu mobilisieren: Diese angeblichen „Besorgten“ sind kein Stuttgarter Problem, sie sind kein Problem der Baden-Württemberger_innen, sie sind ein deutschlandweites Problem. Wenn rechte Christ_innen zusammen mit Faschos geschützt von Polizei und Verfassung gegen uns auf die Straße gehen, dann geht uns das alle an!

Wir kommen hier heute zusammen, weil wir uns erinnern wollen, an einen Kampf der 1969 in der New Yorker Christopher Street gekämpft wurde. Auch wenn die mehrtägigen Stonewall-Krawalle heute für den Beginn unserer Bewegung stehen, so reicht dieses einzelne Ereignis nicht aus, um uns unsere Rechte und Anerkennung zu sichern.
Wir müssen nach wie vor kämpfen.
Wir müssen weiter unsere Menschenrechte einfordern,
wir müssen weiter Homophobie und Transphobie bekämpfen,
wir müssen das beschützen was wir erreicht haben.
Und dafür reicht es wohl nicht aus, einmal im Jahr auf einen CSD zu gehen.
Ich möchte euch alle aufrufen, jeden Tag aktiv zu werden, wenn ihr Homophobie, Transphobie und Menschenfeindlichkeit seht.
Ich möchte euch alle aufrufen, laut zu werden und euch gegen Unrecht zu wehren.
Ich möchte euch alle aufrufen, hinzufahren nach Stuttgart, Hannover oder Kassel und gegen die sogenannten „Demos für Alle“ und „Besorgten Eltern“ zu protestieren.
Das sind auch unsere Straßen und Plätze und wir lassen nicht zu, dass sie für perfide Hetze und Menschenverachtung missbraucht werden!
Kein Fußbreit den Faschist_innen!

Lasst euch nicht entmutigen und nehmt Homophobie und Transphobie nicht hin!

Setzt euch gemeinsam zur Wehr und leistet queeren Widerstand! Seite an Seite!

Achtet aufeinander und setzt euch für die anderen ein! Wir gehören alle zusammen! 

 

Stonewall was a riot – Nazis raus – Danke


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