Rede bei "Keine Demo für Alle"

Foto: marcus
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Am 28. Februar haben sich 80 Menschen aus Darmstadt, Frankfurt und Wiesbaden zusammengetan und sind zusammen als Reisegruppe nach Stuttgart gefahren um den Widerstand gegen die mittlerweile 9. so genannte "Demo für Alle" zu unterstützen. Stellvertretend für meine supergeilen Verein vielbunt e.V. durfte ich eine kleine Ansprache auf der Gegenkundgebung des Aktionsbündnisses "Keine Demo für Alle" halten. Ich habe mich darüber sehr gefreut. Da ich sehr schnell rede und nicht jede_r stenografieren kann, ist nun der Text hier online.

Eins noch: Wir waren etwa 1000 Gegendemonstrierende. Es gab durchaus vielfältige Aktionen. Von Theater, Musik und Reden bis hin zu Blockaden und anderen kreativen Protestformen. Wir kämpfen da gegen etwa 4000 Homophobe. 
Es wird wieder eine sogenannte "Demo für Alle" geben. Wir brauchen mehr Menschen die dagegen halten. Warum habe ich heute erklärt:

Hallo liebe Menschen

 

Mein Name ist Rosa Opossum, ich bin heute mit ein paar Freund_innen aus Darmstadt angereist. Ich möchte mich zu allererst bedanken, dass ich vertretend für meinen Verein vielbunt e.V. hier sprechen darf. Und ich möchte mich auch beim Aktionsbündnis dafür bedanken, dass es hier seit dem ersten Aufmarsch der sogenannten „Demo für Alle“ gegenhält und unsere Rechte und Würde verteidigt.   

Wir erleben in Darmstadt homophobe oder transphobe Bewegungen nicht hautnah. Bei uns gibt es keine Demonstrationen von besorgten Eltern und glücklicherweise auch keine PEGIDA. Wir bekommen nur die Berichte davon mit.
Aufmärsche wie der heutige da drüben finden einfach irgendwo statt und wir vertrauen darauf, dass da wo sich menschenfeindliche Aufläufe bilden, auch immer ausreichend Gegenwind bläst, sodass sich diese Besorgnis erregenden Bündnisse schnell wieder zerstreuen. Weil wir uns sicher sind: Uns gibt es überall und wo queere Menschen sind, werden sie sich den Homophoben und Transphoben in den Weg stellen und die Straßen frei zu halten von rechten Parolen, Beleidigungen und Schmähungen.

Foto: marcus
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Jedoch: Aus der Ferne haben wir beobachtet, dass die sogenannte „Demo für Alle“ immer größer wurde und der Protest gerade von Lesben, Schwulen, Bi und Trans* sich in Grenzen hielt. Deshalb hat sich im letzten Jahr im Juni eine kleine Gruppe von uns auf den Weg gemacht, um sich dem Widerstand vor Ort anzuschließen. Das was wir da erlebt haben, hat uns nachhaltig beeindruckt. 4000 religiöse Fundis und Ultrakonservative, die ihre Kinder mitbringen, um mit Nazis Hand in Hand durch die Stadt zu spazieren und uns ungehindert als Kranke, Pädophile, Kriminelle oder Ausgeburten des Teufels zu diffamieren.
Ich bin es nicht gewohnt, bei einer Demonstration in der Minderheit zu sein. Es war wirklich frustrierend. Auch weil wir das Gefühl hatten, dass keine queeren Organisationen sich am Gegenprotest beteiligten. Aus diesem Grund haben wir über den Sommer mobilisiert, andere LGBT-Vereinigungen angesprochen und sind im Oktober wieder gekommen. Mit einem Reisebus voller Menschen.
Und weil das immer noch nicht genug war, sind wir heute mit zwei Reisebussen da. Und falls nötig kommen wir auch noch mal. So lange, bis die so genannte „Demo für Alle“ Geschichte ist.

Ich will euch erzählen, warum heute 80 Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Alliierte aus Darmstadt sich auf den Weg gemacht haben, um mit euch allen gemeinsam hier zu sein. Das was heute hier stattfindet, geht nicht nur die Menschen in Stuttgart etwas an, nicht nur die Leute in Baden-Württemberg sondern uns alle. Und wir sind heute hier, weil wir verstanden haben, dass wir unsere Rechte verteidigen müssen. Wir haben verstanden, dass die Rechte die wir haben, uns auch wieder genommen werden können. Als gesellschaftliche Minderheit ist man dem Gutdünken der Mehrheit ausgeliefert. So schnell wie die Kriminalisierung von schwulem Sex aufgehoben wurde, kann sie wieder eingeführt werden. Ich möchte daran erinnern, dass die Männer die nach 1945 bis in die 60er Jahre wegen ihrer Homosexualität verurteilt wurden, bis heute nicht rehabilitiert und schon gar nicht entschädigt wurden. Viele von ihnen sind bereits gestorben, ohne dass eine Regierung das Unrecht das ihnen angetan wurde, anerkannt hat.

 

Wir müssen unsere Rechte verteidigen, und wenn das hier in Stuttgart auf dem Schloßplatz stattfinden muss, dann ist das eben hier gerade der Ort dafür. Vielleicht genauso wie vor knapp 50 Jahren eine kleine Bar in New York der Ort war an dem nach einem dreitägigen Kampf der Grundstein für ein weltweites Gay Rights Movement gelegt wurde.
Ich kann heute hier stehen, weil Generationen von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Trans* dafür gekämpft haben, weil sie nicht den Kopf eingezogen haben, sondern den Mund aufgemacht haben.
Wir sind dankbar und es denen, die vor uns da waren schuldig, nicht tatenlos zuzusehen wie andere an unserer Würde und an dem was unsere Vorkämpfer_innen erreicht haben, zu kratzen versuchen. Es reicht nicht aus, sich zuhause auf dem Sofa den Arsch platt zu sitzen und Online-Petitionen bei Facebook zu teilen. Es reicht nicht aus, einmal im Jahr auf dem CSD zu marschieren. Wir sind heute hier her gekommen, weil wir klar machen wollen, dass wir solche rechten Aufmärsche nicht dulden. Das sind auch unsere Straßen und wir sind entschlossen!

Ich bin heute auch hier, um klarzumachen in welcher Welt ich eigentlich leben will.
Ich will nicht in einer Welt leben, in der man gegen Minderheiten auf die Straße gehen kann. Die da drüben behaupten gerne, es ginge ihnen um Erziehung und Bildung, um den Schutz der Ehe und christliche Werte. Was sie aber eigentlich antreibt, ist der Hass auf alle, die anders sind als sie. Und gekonnt verstecken sie ihre Homophobie hinter Glauben und begründen ihre ach so christliche Hetze  gegen uns mit Meinungsfreiheit. Ich will nicht in einer Welt leben, in der über Menschenrechte einfach so abstimmen kann. Für mich ist der Schutz von Minderheiten der Grundstein einer Demokratie. Gleichberechtigung und die Tatsache, dass es keine Menschen zweiter Klasse gibt, sollten die Ausgangsposition sein, nicht ein Verhandlungspunkt auf einer politischen Agenda.
Ich will nicht in einer Welt leben, in der rechte Rattenfänger_innen mit Lügen, Hetze und Panikmache  gutgläubige Schafe auf die Straße treiben, um den Hass gegen sexuelle Minderheiten zu befeuern.

Nach wie vor leiden junge Homosexuelle, Bisexuelle und Trans* unter der Diskriminierung. Nach wie vor ist das der Grund warum viele Jugendliche verzweifeln und sich das Leben nehmen.
Weil sie sich alleine auf der Welt fühlen,
weil ihnen überkommene Moralvorstellungen sagen, sie seien schlechter als andere,
weil Rechte, Religiöse, Konservative in Talkshows, Interviews, von Bühnen herunter und auch auf der Straße ihnen sagen, dass sie pervers und minderwertig seien.
Diese verdammten Hetzer_innen die sich selbst „Familienschützer“ nennen, machen sich mit schuldig an dem Leid das junge Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans* durchleben und leider oft auch nicht überleben.
Ich will in einer Welt leben, in der dies nicht geschieht.
Mit der Akzeptanz von Vielfalt in der Gesellschaft, und damit meine ich heute an diesem Tag vor allem Sexuelle Vielfalt, wird niemandem etwas weggenommen. Mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, wird keine heterosexuelle Ehe geschieden. Und mit der institutionellen Aufklärung von Kindern über die unbestreitbare Existenz von Bisexualität, Homosexualität, Transsexualität, Zwischengeschlechtlichkeit und sexueller Selbstbestimmung wird kein Schüler schwul gemacht und schon gar nicht traumatisiert. Traumatisierend ist vielmehr die aufgezwungene Heteronormativität und Menschenfeindlichkeit, die die da drüben propagieren. Diskriminierung und Ausgrenzung von Homosexuellen und Bisexuellen, die Pathologisierung von Trans* und Inter*; DAS ist traumatisierend. Eine breite Aufklärung, Toleranzerziehung und Information über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt sind nicht dazu da, denen da drüben ans Bein zu pinkeln, sondern sie schützen unsere Gesellschaft vor dem hässlichen Gesicht der Menschenverachtung und Gewalt gegen Minderheiten.

Wir haben zu lange zugesehen, wie sich rechte Kräfte formieren, wir haben zu selten widersprochen, wenn wir diskreditiert und beleidigt wurden. Unsere Gegner_innen werden immer mutiger und ihre Rhetorik wird immer drastischer. Gestern haben wir noch über sie gelacht, heute bringen sie die Bildungspolitik ins Stocken und morgen wollen sie Homosexualität unter Strafe stellen.

Wir müssen da, wo gegen Minderheiten gehetzt wird, aufstehen und ganz laut „Nein!“ sagen. Wir müssen da, wo Fascho-Aufmärsche auf uns herumtrampeln wollen, Blockaden errichten und denen zeigen, dass da wo wir sind, sie keine Chance haben.
Die sogenannte „Demo für Alle“ hat hier nichts zu suchen. Nicht in Stuttgart, nicht in Deutschland und auch sonst nirgendwo. Solange sie es versuchen, werden wir uns ihnen entgegenstellen.
Ruht euch nicht aus! Steht auf! Wehrt euch! Lasst euch nicht unterkriegen, haltet zusammen! Tretet Homophobie und Transphobie in den Arsch!

Stonewall was a riot - Nazis raus! - Danke

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Kommentare: 2
  • #1

    Julian (Sonntag, 28 Februar 2016 23:48)

    Ich liebe dich dafür, dass du dich für die ganz vorne hinstellest, die es selber nicht können, weil diese Homo- und Transphoben Spinner schon zu viel Schäden bei ihnen angerichtet haben. Danke! :*

  • #2

    Lukas (Samstag, 05 März 2016 15:21)

    starke und wichtige Worte. Die Demo für alle ist letztendlich eine Demo für keinen. Sie schließt aus und versucht menschenverachtende Systeme aufrecht zu halten. Es gibt viele Dinge vor der sich eine Gesellschaft fürchten kann (Krieg, Gewalt, Not) Homosexualität gehört nicht dazu. Akzeptanz ist wichtig, Liebe noch wichtiger.