Rede beim CSD Innsbruck 2016

Ich war dieses Jahr zum allerersten Mal beim Christopher Street Day in Innsbruck eingeladen. Das Motto lautete "Lassts uns heiraten!"
Auch wenn heiraten für viele von uns jetzt nicht unbedingt infrage kommt, so kennt doch jede_r von uns ein Homo-Pärchen, das sich nichts sehnlicher wünscht, als in einem Standesamt den Bund der Ehe einzugehen. In Österreich besteht ähnlich wie in Deutschland eine Eingetragene Partnerschaft. Auch hier gibt es derzeit noch eine große Zahl an Benachteiligungen gegenüber der Ehe (mehr dazu beim Rechtskomitee Lambda).

Im Innsbrucker Rapoldipark habe ich deshalb nicht nur dazu aufgerufen, sich Homophobie und Transphobie an jedem Tag im Jahr entschlossen entgegenzustellen, sondern auch die Standesämter zu stürmen.

 

Ich freue mich ganz besonders, dass ich heute hier in Innsbruck sein kann und Teil sein darf beim Christopher Street Day in dieser Stadt.
Es ist, auch wenn den Organisator_innen das vielleicht nicht bewusst sein mag, ein historisches Ereignis. Jeder CSD ist ein historisches Ereignis.

Wir kommen hier aus vielen verschiedenen Gründen zusammen. Wir wollen gleiche Rechte für alle Menschen einfordern, wir wollen sichtbar sein und uns zeigen, wir wollen vielleicht heute auch unseren neusten Fummel vorführen oder jemanden kennenlernen – der CSD ist für vieles gut.
Zuallererst aber steht für mich das Erinnern. Wir erinnern uns an die, die 1969 in der New Yorker Christopher Street gekämpft haben und den Grundstein gelegt haben für eine internationale Bewegung. Wir erinnern uns an die Tunten, die Transen, die Dykes und die Strichjungen, die nicht den Kopf eingezogen haben, sondern Widerstand geleistet haben
Gegen Diskriminierung, gegen Gewalt und gegen (polizeiliche) Willkür. Ihr Erbe treten wir jedes Jahr und jeden Tag an.

Das heurige Motto lautet: Lassts uns heiraten.
In Österreich gibt es immer wieder Diskussionen rund um gleichgeschlechtliche Paare. Immer wieder ist es nötig, das Thema in den Mainstream zu tragen, weil einfach nichts passiert.
Die Debatten zur #EheGleich sind stets durchzogen von latenter wie auch ganz unverhohlen geäußerter Homophobie und Menschenfeindlichkeit. Das Verbeißen auf  Familienschutz und Kindeswohl verschleiert die Realität, dass es bereits lange Regenbogenfamilien gibt und man nur noch einen symbolischen Abwehrfeldzug führt, der vielen Menschen Schaden zufügt.
Es geht unseren Gegner_innen nicht um Familiennamen und Stiefkindrenten. Sie suchen zwanghaft Unterschiede, weil sie sich nur groß fühlen können, wenn sie andere klein machen.


Es gibt keine sachlichen Gründe dafür, warum nicht alle Brautpaare überall in Österreich auf Standesämtern heiraten können, sondern man gleichgeschlechtliche Paare zwingt, für Eingetragene Partnerschaften in Bezirksverwaltungsbehörden zur regulären Amtszeit vorstellig zu werden. Es ist durch nichts anderes zu erklären als durch ein homophobes Zweiklassensystem, dass in manchen Gemeinden nur die Jagdzulassungsstelle oder das Verkehrsamt zuständig ist.
Unerträglich ist für mich die Vorstellung, dass ich am Tag meiner Traumhochzeit in eine lange weiße Kleid mit feine Rüsche in de Front (Linda de Mol) zwischen Menschen mit Nummernschildern in der Hand warten muss, dass ich in die Amtsstube gerufen werde.
Das ist von oberster Stelle angeordnete Diskriminierung.
Das dürfen wir nicht länger hinnehmen.
Wir fordern die Standesämter zu öffnen, wir fordern die Ehe gleich!

Ich erinnere noch mal an den Kampf der 1969 vor dem Stonewall Inn in der New Yorker Christopher Street gekämpft wurde. Auch wenn die mehrtägigen Stonewall-Krawalle heute für den Beginn unserer Bewegung stehen, so reicht dieses einzelne Ereignis nicht aus, um uns unsere Rechte und Anerkennung zu sichern.
Wir müssen nach wie vor kämpfen.
Wir müssen weiter unsere Menschenrechte einfordern.
Wir müssen weiter Homophobie und Transphobie bekämpfen.
Wir müssen das beschützen was wir erreicht haben.
Und dafür reicht es wohl nicht aus, einmal im Jahr auf einen CSD zu gehen.
Ich möchte euch alle aufrufen, jeden Tag aktiv zu werden, wenn ihr Homophobie, Transphobie und Menschenfeindlichkeit seht.
Ich möchte euch alle aufrufen, laut zu werden und euch gegen Unrecht zu wehren.


Die Geschichte lehrt uns zwei Dinge.
Erstens: Wer um seine Rechte bettelt, wird keine Revolution erreichen.
Zweitens: Von niemandem können unterdrückte Minderheiten mehr Hilfe erwarten als von ihrer eigenen Community.  
Wir selbst müssen alles dafür tun um Deklassierung und Diskriminierung zu beenden.
Beschwert euch! Empört euch! Zwingt die Politik und Machthaber_innen zum Handeln.

 

Nur wenn wir an "Lassts uns heiraten" denken, was kann man noch tun?

Vor fast 25 Jahren sind in Deutschland 250 lesbische und schwule Paare aus rund 100 Gemeinden alle am gleichen Tag auf das Standesamt gegangen, um das Aufgebot zu beantragen. Natürlich wurde dies damals, noch lange vor der Eingetragenen (Lebens)Partnerschaft von allen mal mehr oder weniger verwunderten und überforderten Beamt_innen verweigert. Die Hälfte der Paare brachte diesen Fall vor Gericht und ist auch dort letztlich gescheitert.
Dennoch: Die sogenannte Aktion Standesamt hat großes öffentliches Interesse ausgelöst und sowohl in den Medien als auch in der Politik neue Diskussionen angestoßen. Noch nie hat eine Aktion von Lesben und Schwulen bundesweit so viel Aufsehen erregt.
Die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist so lange ein Politikum, wie sie uns noch verweigert wird. Es ist unsere Aufgabe, die Debatte am Leben zu erhalten, bis wir die Gleichstellung erreicht haben.
Es braucht stetige Bewegung in unserer Bewegung und den Mut und den Willen, mit großen Bildern etwas auszulösen was 1992 in Deutschland vielleicht gescheitert ist, 2016 in Österreich aber gelingen kann.
Die Zeit ist reif für einen Sturm auf die Standesämter, in allen Bundesländern, in allen Bezirken, in allen Gemeinden.
Tut euch zusammen und macht euer Aufgebot im Standesamt. Macht klar, dass dies der Ort ist, an dem alle Paare heiraten dürfen sollen. Ladet die lokalen Zeitungen und Nachrichtensender ein! Tretet die letzte verschlossene Tür vor der "Ehe gleich" ein!
Wir lassen uns nicht mehr in Forstämter und Fischereibehörden abschieben.
Wir lassen uns nicht weiter klein machen und deklassieren.
Wir fordern die gleichen Rechte für alle Menschen und das heißt heute:
Ehe gleich - und zwar jetzt, für alle und sofort!


Ich will zum Abschied daran erinnern, dass der neu gewählte Kanzler Christian Kern damals noch als Bahn-Vorsitzender die "Ehe gleich" unterstützt hat:
„Die ÖBB sind mit ihren über 40.000 Mitarbeitern ein Abbild der österreichischen Gesellschaft. Für uns ist Gleichbehandlung daher selbstverständlich und nicht verhandelbar.“
Herr Kanzler, wir nehmen Sie da in ihrem neuen Job beim Wort!
Schließlich ließ schon Bundespräsident van der Bellen verlauten, er sei für die vollkommene Gleichstellung von lesbischen und schwulen Paaren. Sie sollen die gleichen Fehler machen dürfen, wie Heteros.
Treffender hätte man es kaum auf den Punkt bringen können. Nun gebe ich das Mikrofon frei und wünsche euch noch einen wundervollen CSD in Innsbruck!


Stonewall was a riot – Refugees Welcome - Nazis raus – Danke