Rede bei #notddz in Karlsruhe

Am 3. Juni 2017 riefen Nazis zu einem Aufmarsch in Karlsruhe-Durlach auf. Am gleichen Tag fand in der Innenstadt der CSD Karlsruhe statt.
Die Karlsruher Stadtgesellschaft hat sich sehr intensiv darauf vorbereitet und unter dem Motto "Karlsruhe zeigt Flagge" mit einem großen Bündnis viele Organisationen und Gruppen vorbereitet. Bereits im Vorfeld hingen unzählige Banner im ganzen Stadtgebiet und am Tag selbst fanden viele Gegenveranstaltungen mit Kundgebungen und Mahnwachenpunkten statt.

 

Ich wurde vom CSD Karlsruhe eingeladen, als Deligierte auch einen Redebeitrag zu leisten und war deshalb bei der Kundgebung vor Ort. Letztendlich haben sich in Durlach Tausende Menschen etwa 300 Nazis (statt der angekündigten 600 - 900) entgegengestellt.

 

Die Kundgebung war bunt und friedlich. Ich war gerne dabei. Es zeigt sich, wie wichtig es nach wie vor ist, Haltung zu zeigen, aufzustehen und nicht wegzusehen. Danke an diejenigen, die den Widerstand organisiert und so viele Menschen zusammengebracht haben.
Vielen Dank ebenso an den CSD Karlruhe, der mich eingeladen hat und dessen diesjähriges Motto "Bunte Liebe statt brauner Hass" ein wunderbares Gegenprogramm und Zeichen der Vielfalt in die Stadtmitte gebracht hat. Viele Demonstrant_innen aus Durlach habe ich später auch auf dem CSD-Festplatz getroffen.

 

Leider war die Redezeit bei der Kundgebung limitiert. Ich musste ein paar Passagen auslassen. Der Vollständigkeit halber habe ich das Ungesagte in kleinerer Schrift im Text beibehalten.

Liebe Alle

 

Der CSD Karlsruhe wird jährlich organisiert, um ein Zeichen zu setzen, gegen Ausgrenzung, für eine vielfältige Gesellschaft ohne Hass und ohne Diskriminierung.
Die Macher_innen sind gerade auf dem Stephanplatz voll eingespannt und haben deshalb mich gebeten, bei euch vorbeizuschauen. Der Bitte komme ich gerne nach. Ich freue mich, dass ich heute hier bei euch sein kann.

 

Offen formulierter Hass gegen Menschen ist für mich ebenso unerträglich wie auch alltäglich.
Minderheiten, die auch als solche zu erkennen sind, seien es Migrant_innen oder sexuelle Minderheiten, sind stets mit Diskriminierung konfrontiert. Sie begegnet uns in Zeitungsberichten und Kommentarspalten, bei Entscheidungen der Regierung oder in den Redebeiträgen von Parlamentsmitgliedern. Aber auch auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf dem Schulhof. Wir haben uns fast schon daran gewöhnt, uns etwas kleiner zu machen, wenn eine Gruppe auf der Suche nach Streit sich in unsere Richtung bewegt. Wenn wir in eine Situation geraten, in der es für unsere Sicherheit besser ist, nicht aufzufallen. Denn wir wissen auch: Im Zweifelsfall sind wir allein. Die Hilfsbereitschaft und Solidarität der anderen wird zu oft gelähmt von Angst und der Erleichterung darüber, nicht selbst im Fokus der Aggression zu stehen. Aber auch Ignoranz und Unwillen zu erkennen, was da gerade vor unserer aller Augen vor sich geht, machen es Täter_innen einfach. Damit meine ich nicht nur die Menschen die den Sitzplatz wechseln, wenn eine Transsexuelle im Bus bedrängt wird, sondern auch die, die sich stillschweigend damit einverstanden erklären, Grenzen zu schließen und Menschen auf der Flucht vor Krieg und Terror sich selbst zu überlassen.

Es scheint schon lange wieder in Ordnung zu sein, dass Nazis vor den Augen der Polizei den rechten Arm in die Luft strecken. Kaum jemand wundert sich, dass "schwule Sau" das ultimative Schimpfwort ist, um Mitschüler abzuwerten oder dass man sich eher über Anti-Nazi-Demos aufregt als über die Tatsache, dass Neonazis vor der eigenen Haustür marschieren.

Das Wegschauen und das Verneinen der eigenen Verantwortung für die Welt in der man leben möchte, haben dazu geführt, dass wir heute hier stehen müssen. Es wurde nicht von allen eingegriffen, als sich der Nationalsozialismus wieder begann zu formieren. Es wurde zugesehen, wie sie Parteien gründen, Kundgebungen und Fackelmärsche veranstalten und unbehelligt ihre Parolen rufen. Es wird weggeschaut, wenn sie sogenannte "national befreite Zonen" errichten, Obdachlose im Schlaf anzünden oder tot prügeln, Asylunterkünfte in Brand stecken. Politik und Ermittlungsbehörden wollen keinen Zusammenhang sehen zwischen dem braunen Sumpf der sie umgibt und den Verbrechen die diese Leute begehen. Stattdessen werden die Schuldigen noch in den Reihen der Opfer gesucht. Eine Terrorzelle reist 10 Jahre lang mordend durch die Republik und erschießt wahllos Familienväter und die Repressionsorgane denken angesichts der migrantischen Opfer nicht über einen rechtsextremen Hintergrund nach?

[Stattdessen zahlen sie V-Männern aus dem Umfeld der Terrorist_innen Aufbaufinanzierung dafür, dass die sie ab und an mal von einem Fascho-Konzert erzählen.]

 

Bei all den geschredderten Ermittlungsakten, plötzlich verstorbenen Zeug_innen, nie verhörten Mitwissern und ergebnislosen Untersuchungssausschüssen... Wer übernimmt denn noch die Verantwortung, Rechtsextremismus zu bekämpfen und unsere Straßen frei zu halten von Hass und Gewalt?

 

Es sind wir.
Wir, die hier stehen.
Wir, die nicht einverstanden sind mit dieser menschenfeindlichen Ansammlung von Brandstiftern und Gewalttätern.
Wir alle sind gefragt, wenn es gilt zu widersprechen. Wir sind diejenigen, die aufstehen müssen, wenn Schwache bedrängt werden,
wir sind diejenigen, die etwas riskieren müssen, um das wofür wir stehen zu verteidigen.
Wir sind diejenigen die entschlossen handeln.
Wir müssen stärker und lauter sein. Schlauer als die da drüben sind wir ja schon.

 

[Die Rechten nutzen Unsicherheiten der Leute aus und arbeiten mit Ängsten. Wegschauen und Tatenlosigkeit beim Rest der Gesellschaft machen es der Gefahr von Rechts leicht, in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen. Sie haben schon den Fuß in der Tür. AfD-Abgeordnete, die NS-Vokabular benutzen, den Holocaust relativieren und Menschen aufstacheln, lassen offenen Rassismus und Deklassierung von Minderheiten wieder salonfähig werden. Sie ebnen den Weg für noch mehr Hass und noch mehr Gewalt. Und damit auch mehr Angst.

Und weil ich das nicht will, stehe ich heute hier. Kein Mensch ist ohne Vorurteile und Ängste. Deshalb: Redet miteinander, lernt euch kennen und verstehen, schließt Bündnisse und arbeitet gemeinsam. ]

 

Wir lassen uns nicht von rechter Hetze verarschen. Wir halten zusammen. Egal woher wir kommen, egal wen wir lieben, egal welche Sprache wir sprechen und egal woran wir glauben.

 

Lasst uns gemeinsam daran arbeiten, Rassismus, Homophobie, Transphobie und den ganzen anderen Dreck zu überwinden.

Danke dass ihr hier seid

Seid wachsam, passt aufeinander auf!
Stonewall Was A Riot, Refugees Welcome, Nazis Raus, Danke!

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http://ka-gegen-rechts.de/notddz2017/

 

https://notddz.suedwest.mobi/

 

http://www.csd-karlsruhe.de/