Rede CSD Darmstadt 2018

Hallo meine lieben Menschen!
Auch ich begrüße euch ganz herzlich zum CSD Darmstadt 2018. Wie schön dass wir alle da sind!
In diesem Jahr lautet unser Motto trans* Pride – Du bestimmst nicht mein Geschlecht.
Ich bin unbeschreiblich stolz, dass wir dieses Jahr einen trans* Pride in Darmstadt haben und diesen auch so nennen. Ich bin stolz darauf, dass wir in unserer Mitte starke trans* Menschen haben, die sich in die Vorbereitungen gestürzt und viel von sich persönlich gegeben haben. Und ich bin genauso stolz auf die cis Leute im CSD-Team, die erkannt haben, dass jetzt die Zeit für einen trans* Pride gekommen ist, die offen und solidarisch an diesem Projekt mitgearbeitet haben. Es ist ein Traum!
Es ist wichtig die Themen von Trans* in den Fokus zu rücken. Wir haben in der Vorbereitung gemerkt, dass wir vieles einfach nicht wissen oder uns anfangs schwer fiel zu verstehen. Warum ist das so? Was ist der Unterschied zwischen dem und dem, warum ist dieser Begriff gut und jener nicht? Wir haben in der Vorbereitung sehr viel gelernt, voneinander und über uns selbst. Und dafür möchte ich allen Beteiligten noch mal ausdrücklich danken.
Dieser CSD ist ein besonderer.

Ihr habe von meinen Vorrednerinnen schon einiges inhaltliches gehört, deshalb fasse ich mich da kurz. Geschlechtliche Selbstbestimmung, ist für die meisten von uns so selbstverständlich, dass „Du bestimmst nicht mein Geschlecht“ als Motto zunächst mal relativ ungewohnt klingt. Wer soll denn besser wissen, welches Geschlecht ich habe, als ich selbst? Aber genau das ist das Problem, das wir derzeit noch haben. Es ist relativ einfach, mit ein bisschen Glück und verständigen Ärzt_innen eine Hormonersatztherapie zu beginnen, mit der sowohl weitreichende, als auch dauerhafte körperliche Veränderungen einhergehen. Aber wenn man seinen Vornamen und seinen Personenstand ändern möchte sollen plötzlich zwei psychologische Gutachten nötig sein?
Und was ich auch nicht verstehen kann, ist, dass dann diese Gutachter_innen ihre Rolle falsch einschätzen und ihre Begutachtung auch noch mit einer Therapiesitzung verwechseln. Wer mal kurz nachdenkt, weiß, dass man die Geschlechtszugehörigkeit nicht von außen feststellen kann. Warum glauben dann Leute heute immer noch, man könne Transsexualität wegtherapieren?
Es ist schlicht ein Unding, was insbesondere im Transsexuellengesetz von Leuten verlangt wird, die einfach nur ihren Namen und ihre Geschlechtsidentität in Einklang miteinander bringen wollen. Dass das Transsexuellengesetz teilweise unnötigen Quatsch verlangt und damit eigentlich ein diskriminierendes Sondergesetz ist, ist schon früh klar geworden. Große Teile sind bereits gestrichen. Weil Menschen vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt haben. Justizministerin Barley und Familienministerin Giffey haben angekündigt, dass sie weiter am Transsexuellengesetz herumsägen wollen. Wir sollten genau beobachten und kritisch begleiten, was dabei herauskommt. Denn: Das Bundesinnenministerium für Heimat, Polizeistaat und Weißbier wird bei der Reform des TSG auch wieder die Federführung haben.

Aber ich wollte eigentlich etwas anderes erzählen. Etwas das mich dann doch nachdenklich gemacht hat. Ein paar wenige Leute haben sich darüber beschwert, dass sie sich als schwule Männer im diesjährigen Motto nicht wiederfinden und nicht vertreten fühlen. Uns wurde erklärt, dass wenn wir einen „trans* pride statt eines CSD“ machen, sie dann nicht kommen. Wie ihr seht, haben wir den trans* pride trotzdem gemacht. Keine Ahnung ob die Leute nun daheimgeblieben sind. Aber da muss man trotzdem noch mal einen Gedanken dran verschwenden. „Trans *Pride statt CSD”. Also “Trans* Pride statt Christopher Street Day… Kann man das überhaupt so sagen?
Wie jedes Jahr muss ich wohl noch mal auf die Stonewall Riots 1969 in New York erinnern. Am 28. Juni 1969 in der Christopher Street waren es eben nicht allein Schwule und Lesben, die für Aufruhr gesorgt haben. Es waren auch trans* Leute oder Leute die die wir heute als trans* bezeichnen würden.
Marsha P. Johnson und Sylvia Rivera wird heute häufig zugeschrieben, bei den Aufständen gegen die Polizeigewalt nicht nur in der vordersten Reihe gestanden zu haben, sondern sogar den berühmten ersten Pflasterstein geworfen zu haben. Marsha P. Johnson und Sylvia Rivera waren Drag Queen, die sich für Gay Rights eingesetzt hat. Und Drag Queens waren zu jener Zeit sowohl schwule Männer, die hin und wieder einen Fummel angezogen haben als auch Frauen, die als Jungs zur Welt gekommen sind. Die Trennung von schwul & lesbisch oder bisexuell gegenüber trans* wie wir sie heute kennen, war damals nicht so scharf. Es war in jenen Tagen und Nächten eine große und gemischte Gruppe, die eine solidarische Gemeinschaft gebildet hat und zusammen füreinander eingetreten ist.


Gerade bei einer Veranstaltung, die Christopher Street Day heißt und an dieses Ereignis erinnern, sollten wir uns auch bewusst machen, an wen wir uns erinnern und wessen Erbe wir weiterführen wollen. Und das sind eben nicht nur die Mittelklasse-Homosexuellen gewesen. Es waren die dykes, die fags, die butches und femmes, die kings, queens und queers und es waren transvestites, transgenders, trans* jeder Hautfarbe.


Einen trans* Pride in Darmstadt abzulehnen, weil man sich darin als gewöhnlicher Homosexueller nicht wiederfindet, zeugt entweder davon, dass man es nicht besser weiß, oder dass ein CSD vielleicht insgesamt nicht die richtige Veranstaltung für die Person ist.
Gut, dass wir das alle verstanden haben und uns hier miteinander und füreinander versammeln. Darauf bin ich sehr stolz. Aber das habe ich schon gesagt.

Es bleibt nämlich wichtiger denn je, dass wir eng zusammenstehen und uns kämpferisch zeigen. Angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen scheint es zwar gut für uns zu laufen: #Ehefüralle, 3. Option beim Geschlechtseintrag, ein weiteres Rütteln am Transsexuellengesetz. Aber wir sehen auch, was sonst noch so abgeht.

Rechte Gruppierungen und rechtsextreme Parteien haben uns alle im Visier. In manchen Landtagen verlangt die AfD die Zählung von Schwulen, Lesben und Trans*. Rechte Stadtverordnete erkundigen sich, über den Umfang der städtischen Förderung für vielbunte/queere Projekte. Spinnergruppen wie die selbsternannte Demo für Alle organisieren Märsche und Bustouren, deren erklärtes Ziel es ist, Stimmung gegen uns zu machen und uns als kriminell und pervers zu diffamieren.
Das lassen wir uns nicht gefallen. Und deshalb bleibt es wichtig, zusammenzuhalten, uns zu solidarisieren und uns gemeinsam zu wehren. Heute und an jedem Tag!

Kommt am Mittwoch auch zur Demonstration gegen die AfD-Wahlkampfveranstaltung in Bessungen. Zeigt klare Kante gegen Rechts. Wir sind Teil einer vielfältigen und weltoffenen Gesellscaft und wollen, dass diese auch so bleibt.
Und kommt am 13. September nach Wiesbaden, um der Demo für Alle wieder mal zu zeigen, dass Hass und Hetze gegen sexuelle Minderheiten nicht unwidersprochen bleiben.

Haltet zusammen, lasst euch nicht spalten. Ich wünsche euch noch einen wunderschönen trans* Pride CSD Darmstadt 2018!
Stonewall was a Riot – Refugees welcome - Nazis raus - Danke!